Das Piraten Problem

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Revan
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Das Piratenproblem in Freespace

(Auch wenn das hier wie ein FAQ aussieht, ihr seid eingeladen euren Senf dazu zu geben. Lasst uns gerne diskutieren!)

Ich dachte mir, ich rolle das Thema mal neu auf. Vorab: Wir müssen uns hier nicht auf Freespace beschränken. Das Prinzip ist bei allen SciFi-Universen so ziemlich identisch. Aber der Reihe nach.

Der fiktionale Standpunkt


Sind Piraten in Freespace realtistisch?

Darüber streitet sich das Fandom. Wie realistisch Piraten in Freespace sind, wenn jederzeit ein Zerstörer aus dem Subraum kommen kann um sie weg zu blasen?
Totschlagargument: In Silent Threat sehen wir eindeutig Piraten.
Gegenargument: Das waren Zeiten ohne Strahlkanonen mit stark dezimierten Militärs.

Ich mache es kurz: Am Ende liegt es bei Euch wie ihr diese Frage für euch bzw für eine Kampagne beantwortet. ABER den oben genannten Faktor MÜSST ihr berücksichtigen. Das heißt nicht, dass ihr keine Piraten einbauen dürft, sondern es heißt ihr müsst euch eine Antwort darauf überlegen.


Der Narrative Standpunkt


Welchen Zweck erfüllen Piraten in Freespace-Kampagnen?

Natürlich gilt das nicht durch die Bank, doch in aller Regel sind sie eine Beschäftigungstherapie für den Spieler. Es gibt ein Vorgeplänkel, dass dazu dient Charaktere vorzustellen und fiktionale Fakten zu etablieren, bevor die eigentliche Story los geht. Ja und damit der Friedenszeiten-Alltag nicht zu langweilig wird, bietet es sich an, Piraten zu bekämpfen.
Und hey... ich spreche zwar jedem meinen Respekt aus, der eine Mission bastelt in der abgesehen von Funksprüchen und dem Flug von A nach B GAR NICHTS passiert, aber ich habe prinzipiell kein Problem mit der Piratenbeschäftigungstherapie.

Alternativ sei an dieser Stelle gesagt, dass die meisten wohl besser damit fahren, wenn man den Spieler einfach direkt in die Handlung hinein wirft. Vergleichsweise Freespace 1 & 2.
Und ja, ich sehe den Einwand, dass man ja Charaktere aufbauen will... gut, dann verlassen wir mal kurz Freespace bzw Spiele und schauen uns Star Wars Episode IV an. Die Handlung rollt direkt los und wir lernen während dessen die Charaktere kennen.
Ich verstehe, dass man auch mal ein Bild in friedlicheren Zeiten zum Kontrast haben will oder, dass man will, dass der Spieler auch den Beginn des ganzen erlebt – nötig ist dies jedoch nicht. Es ist immer schwer zu entscheiden wo man die eigene Story kürzt, aber oft ist weniger mehr.

Da das aus der Welt ist, legen wir für uns jetzt aber fest, dass wir uns dagegen entscheiden den Spieler einfach in das Szenario hinein zu werfen. Macht auf keinen Fall den Fehler die Piraten plötzlich zu vergessen, sobald die eigentliche Geschichte beginnt. Ihr habt sie etabliert und nun sind sie Teil des Kosmos in dem eure Kampagne spielt.

Ich nehme mal zum Beispiel eine BTRL-Kampagne die ich letztlich (leider) nicht mehr fort geführt habe.
Hier habe ich das Ende des Vorgeplänkels mit den Piraten in die gleiche Mission gelegt, in der die Cylonen den Waffenstillstand brechen. Das bedeutete während der Spieler im Begriff war die Piraten auszuräuchern, tauchten die Cylonen auf, aktivierten ihren Virus, welcher die Piraten und Colonials gleichermaßen lahm legte und der Spieler konnte mit viel Glück entkommen und dabei beobachten wie die Cylonen den Piraten den Gar aus machten.

Ihr seht, was ich da getan habe? Ich habe einen Schlussstrich unter das Piratenthema gezogen und zugleich den Einstieg in die eigentliche Stroy vollzogen. Um im Freespace-Universum zu bleiben könnte man z.B. Cylonen durch Shivaner austauschen.

Aber das passt so gar nicht in meine Story!

Alles gut. Das war nur ein Beispiel. Was dieses Beispiel hervor hebt ist der finale Schlussstrich unter das Piraten-Thema. Sie kommen nicht mehr vor, weil sie Weltraumstaub sind.

Wenn ihr genau diesen Schlussstrich nicht ziehen könnt, dann seit euch bewusst, dass eure Piraten halt noch da sind und irgend etwas machen. Baut das in die eigentliche Story mit ein. Das geht auf vielfältige Weise. Sie können weiter Antagonisten sein. Sie können jetzt aufgrund der größeren Gefahr mit dir zusammen arbeiten oder irgend etwas dazwischen. Hauptsache du machst was draus und vergisst sie nicht völlig.

Fredding


Und damit kommen wir zum eigentlichen Thema. Ja und hier machen mir die meisten Piraten-Missionen Bauchschmerzen. Sie sind wie oben angemerkt einfach nur da um abgeballert zu werden.
Ich komme hier mal auf Derelict zu sprechen. Wo wir 100erte Lokis in einer Mission wegpusten.
Da nutzt es auch nichts, dass hinterher behauptet wird, die wären alle nur ferngesteuert. 100 Lokis – das ist schon eine Streitmacht mit der zu rechnen ist.

BTW ich rate jedem unabhängig vom Piraten-Thema davon ab in solchen Maßstäben zu eskalieren. Und das sage ich als jemand der Massenschlachten liebt. Ich muss mich immer wieder dazu ermahnen mal wieder kleinere Brötchen zu backen.
Es geht hier auch nicht darum, dass ihr keine 200+ Schiffe einbauen dürft. Wenn es passt, dann macht das. ABER es kann und darf nicht die Rolle des Spielers sein 50%+ der feindlichen Flotte im Alleingang zu erledigen. Macht den Spielercharakter nicht zu einem weiteren Alpha-1-Meme.

Bei den Piraten kommt hinzu, dass es einfach unglaubwürdig ist, dass sie so eine Streitmacht überhaupt aufbauen. Schon gar nicht zu dem Zweck ,sie an einen GTA-Wing zu verlieren.


So. Nun gehen wir mal davon aus, dass ihr solch vollkommen absurde Zahlen vermieden habt.
Statt 100 Lokis, wehrt der Spieler nur 8 Lokis ab, die den Frachter, den wir eskortieren, angreifen.

Jetzt haben wir alles richtig gemacht?

Leider noch nicht. Aber wir nähern uns immer mehr dem eigentlichen Zweck dieses Threads.
Warum greifen die Piraten den Frachter an? Was passiert wenn der Spieler scheitert? In aller Regel macht der Frachter boom und das wars.
So funktioniert das mit Piraten nicht. Selbst wenn sie keinen einzigen Jäger verlieren gewinnen sie am Ende nämlich gar nichts!

Die Piraten dort in den Lokis wollen Beute. Oder Geld. Habt ihr die Idee dass irgend wer die Produktion in Delta Serpentis sabotieren will und für jeden versenkten Frachter bezahlt? Okay kaufe ich. Dann macht das aber auch zum Thema! Wer ist das? Warum will er das? Beantwortet diese Fragen für euch, und arbeitet das in eure Kampagne ein.

Aber wie müsste der Angriff nun aussehen ohne so eine Erklärung?

Die Piraten greifen an, sie zerstören nicht, sie legen die Triebwerke lahm und schicken ein Enterteam.

Gut. Wir setzen das nun genau so um. Damit ist nun alles gut?

Nein! Das Enterteam wird vom Spieler abgeschossen und die Piraten kämpfen bis zum letzten Mann? Ja, ich meckere SCHON WIEDER. Spätestens wenn das Enterteam abgeschossen wurde, gibt es nichts mehr zu gewinnen.
Ab dann heißt es für die Piraten Rückzug. Idealerweise schon früher, wenn sich deutlich abzeichnet, dass sie den Kampf nicht gewinnen werden. Sagen wir, wenn nur noch 3 ihrer 8 Jäger übrig sind.

Ja aber, dürfen denn nicht auch Piraten mal total eskalieren?

Ich kann dich beruhigen. Dürfen sie. Es kommt auf das „warum“ und das „wie oft“ an.
Um wieder eine Mission aus Derelict aufzugreifen: In einer Mission soll der Spieler eine Piraten-Basis angreifen, findet sie aber vollkommen zerstört vor.
Es kehren dann einige Piraten zurück und sie glauben du hättest das getan. Hier haben wir einen Emotionalen Moment. Ihr Zuhause wurde zerstört. Freunde, vielleicht sogar Familie wurden (vermeintlich von dir, aber das ist egal, denn du hattest es ja vor) abgeschlachtet.
Sie sind tierisch angepisst und sie wollen Blut. Dein Blut.

Macht nur nicht den Fehler den diese Mission gemacht hat: Peu a peu immer heftigere Angriffswellen der Piraten. Das passt zwar in viele andere Missionen sicher gut, aber nicht zu der hier geschaffenen Ausgangslage. Je frischer desto größer die Wut. Die ersten Wellen müssen die heftigsten werden und es sich danach abschwächen. Auch hier muss am Ende der Überlebensinstinkt kicken, wenn die Piraten merken, dass sie nieder gemetzelt werden.

Ich brauche jetzt aber unbedingt eine Mission, wo meine Piraten eine Leviathan/Deimos angreifen und VERNICHTEN wollen. Geht das denn gar nicht?

Auch hier kann ich dich beruhigen. Das geht. Besser fände ich es zwar, wenn sie das Schiff übernehmen würden, aber das kann ja gerade in Ermangelung von ausreichend Entertruppen keine Option sein.
Die Frage ist wieder, wie das Sinn ergibt. Und das kann es. Sagen wir es gibt 5 Kreuzer im System. Einer weniger, der den Piraten künftig dazwischen funkt, ist nun mal einer weniger, der ihnen künftig dazwischen funkt. Das kann Motivation genug sein. Der Spieler sollte dann aber zumindest ein Gefühl dafür vermittelt bekommen, wie die Kapazitäten der eigenen Flotte aussehen.
Auch hier gilt wieder, die Piraten gehen auf keinen Fall in den Kamikaze-Modus. Wenn sie merken dass das nichts mehr wird, ziehen sie sich zurück und lecken ihre Wunden.

Meine Piraten sind aber Hammer of Light, das sind verrückte Fanatiker!

Eins nach dem anderen. 1. Ist es nie gut, wenn du deine Antagonisten einfach nur für verrückte erklärst. Das macht die immer unglaubwürdig. Du solltest ein Gefühl für ihre Ziele und Ideale haben. 2. Entscheide dich was sie sind. Sind sie Piraten die auch an den HoL glauben oder sind sie HoL die auch Piraterie betreiben. Das macht einen massiven Unterschied.

Ein Beispiel aus Alexanders Gizeh-Prolog (Disclaimer: Ich rede von der jetzigen Fassung wo ich das hier schreibe - im Moment spiele ich mit dem Gedanken sie zu überarbeiten und hadere damit ob das zu respektlos gegenüber Alexander wäre – womöglich kennst du bereits/nur die überarbeitete Fassung):

Wir haben hier Piraten die ehemalige NTF-Rebellen sind. Sie sind auch Freiheitskämpfer. Hier ist die jeweilige Rolle m.E. Fluide. Das heißt sie sind zunächst vor allem Piraten die sich als Freiheitskämpfer gebaren, werden aber immer mehr zu Freiheitskämpfern die auch Piraterie betreiben.

In einer Mission die vielleicht sogar der Übergang zwischen diesen beiden Stadien sein könnte, springen zivile Frachter herein. Sobald diese ankommen funken die irgend etwas warum der Gouverneur so schlimm sei. Unsere Piraten kommen herein und greifen dann diese Frachtschiffe an.
Du siehst vermutlich selbst, dass das gar keinen Sinn ergibt. Weder aus der Piraten-Schiene noch aus der Freiheitskämpfer-Schiene betrachtet. Auf der Piraten-Schiene stehen wir vor dem Dilemma das sie nichts zu gewinnen haben. Auf der Freiheitskämpfer-Schiene schaden sie damit sogar ihrer Sache indem sie mehr oder minder Gleichgesinnte töten.

Sind das vielleicht ganz andere Piraten, die im Dienst des bösen Gouverneurs stehen?

Ja, wäre denkbar. Das Problem ist nur, dass rein gar nichts darauf hindeutet bzw laut Briefing es eher auf jene Ex-NTF-Piraten deutet.

Sorgt einfach dafür, dass das was passiert Sinn ergibt!

Und ja. Nicht alles muss SOFORT Sinn ergeben. Nur macht nicht den J.J. Abrahms der Mystery-Boxen hin wirft und sich um ihre Auflösung keine Gedanken macht.

Um nochmal auf die HoL zurück zu kommen. Die sind schwierig. Es sind religiöse Fanatiker einer Weltuntergangssekte. Fragt Euch einfach selbst, wie viel Sinn so etwas als Platzhalter-Gegner in Eurer Kampagne genau an der Stelle, wo ihr sie verwenden wollt, überhaupt macht.


Finale Worte


Ich denke bevor ihr Piraten als Übergangs-Gegner einbaut, solltet ihr zunächst ein Gefühl für eure Piraten entwickeln. Probiert es doch mal eine Kampagne aus Sicht von Piraten zu fredden. Muss ja keine 30+ Missionen haben.

Wenn ihr dann künftig Piraten als Gegner einbaut. Stellt Sie euch zunächst als die SC-Partei vor und geht durch, wie sie vorgehen würden.

Habt den Mut zur Niederlage. Das ist generell ein guter Tipp. Denn das macht die Sache für den Spieler persönlicher, wenn er bzw seine Seite unterliegt. In Punkto Piraten bringt es das Gefühl dafür, dass es Piraten sind, umso besser herüber.
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